Der ist eigentlich echt lieb...

13.03.2024

Neulich hat mal jemand zu mir gesagt "...'eigentlich' macht den Satz kaputt." Und er hatte Recht. Höre ich diesen Satz, so formuliert, werde ich hellhörig.

Jemand der sich absolut sicher ist, dass sein Hund nicht beißt, sagt sowas wie: "Der beißt dich nicht!" oder "Der würde nie beißen!"
"Eigentlich" ist für mich ein Wort aus dem Bauch heraus. Meistens gab es dann schon größere oder kleinere Momente, wo der Hund sich mit Zahn irgendwo durchsetzen wollte. Vielleicht wollte man ihm einen Knutschi geben und er hat geschnappt oder er ist mal auf einen Jogger zugelaufen und man konnte gut sehen, dass er probiert hat, an dessen Füße zu kommen, evtl. hatte man mal einen Gast den Hund "irgendwie nicht so freundlich" angebellt hat und wenn der sich bewegt hat, kam der Hund angeschossen und hat vielleicht auch auf die Füße abgezielt oder, oder, oder...
Übrigens alles Situationen, die ich selbst schon bei meinen Hunden erlebt habe.
Wenn Du sowas oder sowas Ähnliches schon mal an Deinem Hund gesehen hast und Du möchtest dann, dass ich zu Dir zum Ersttermin komme, dann zieh Deinem Hund bitte einen Maulkorb an, ab einem Gewicht von 7kg.

Lustig ist, dass es wirklich Hundetrainer gibt, die sagen: "Also wenn ein Hundetrainer, ohne deinen Hund gesehen zu haben von dir verlangt, dass du ihn mit dem Maulkorb sicherst, dann buch lieber kein Training bei dem, denn wer will schon einen Trainer im Haus haben, der Angst vor Hunden hat."
Über solche Sätze von einem vermeintlichen Profi kann ich nur den Kopf schütteln. Da tun sich für mich so viele Fragen und Analogien auf...
Wenn es sein könnte, dass der Hund eines Kunden mich beißt, soll ich also lieber erstmal ohne Sicherung hin und gucken was passiert? Spricht das wirklich für meine Professionalität? Was wenn dieser Hund dann beißt? Was, wenn ich dann wochenlang ausfalle? Ob der Kunde meinen Schaden bezahlen möchte? Was macht das wohl mit dem Kunden, wenn er sieht, wie sein Hund jemanden beißt und verletzt? Wenn ein Polizist jemanden anhält, der betrunken Auto fährt, ob der dann auch sagt: "Na, wir lassen den erstmal weiter fahren, mal gucken, was passiert? (Könnte ja sein, dass nichts passiert.)" Ist es nicht besser, der Hund ist gesichert und wenn ich sicher sagen kann, dass alles fein ist, nehmen wir dem Maulkorb ab?
Bedeutet die Tatsache, dass ich nicht gebissen werden möchte, dass ich Angst vor Hunden haben? Oder habe ich vielleicht Angst vor einem Biss? Weil ich weiß, dass das a. sehr schmerzhaft sein kann und b. hoch infektiös ist, in der Regel ausgeschält werden muss und es lange dauert, bis es heilt... Dass wenn Sehnen und Muskeln getroffen werden, es noch länger dauert und man davon in der Regel ein Leben lang was hat!? Es ist ja nicht so, dass ich noch nie gebissen worden bin.
Wenn jemand nicht gebissen werden möchte und davor sicher auch Angst hat, seinen Job aber dennoch macht und gut macht, ist er DESHALB ein schlechter Hundetrainer? In Anbetracht der Tatsache, dass es die meisten namenhaften Hundetrainer überall in Deutschland so handhaben, würde ich sagen "Nein!".
Da stelle ich mir gerade vor, wenn ein Feuerwehrmann mit voller Montur in ein Haus reinläuft, wo es evtl. irgendwo drin brennt (Achtung Polemik), stehen dann auch die Leute draußen vor dem Haus und schütteln verächtlich den Kopf, wenn er wieder raus kommt: "Was für ein Feigling. Geht da mit kompletter Montur rein, dabei wußte er gar nicht, obs brennt." Wohl eher nicht!
Und ja, wenn es irgendwann Bekleidung für Hundetrainer gibt, die dafür sorgen, dass ein eingesetzter Hundezahn meine Haut nicht trifft, in der ich mich auch noch vernünftig bewegen kann, dann kaufe ich mir die auf jeden Fall.
Aber was ist mit dem Hund, der diesen Maulkorb tragen muss? Naja, erstmal ist es natürlich ein Fremdkörper im Gesicht und neu und irgendwie komisch. Es ist immer sinnvoll, wenn der Hund den Maulkorb vorher schon kennengelernt hat und gelernt hat, dass es etwas ganz Normales ist, damit er sich dann auch normal damit verhält und nicht nur mit dem Maulkorb beschäftigt ist. Ob ein Hund mit Maulkorb sich normal verhält? Oh ja!!! Wir haben einige Maulkorb-Träger auf dem Platz und 95% verhält sich da ganz normal mit und zeigt auch alles an Verhalten, was sie auch ohne zeigen. 5% sind damit etwas gehemmter und brauchen einfach etwas länger, um sich dran zu gewöhnen.
Und auch hier gibt es eine Analogie. Nämlich das Kleinkind, dass auf einmal eine Brille tragen muss. Auch die Brille ist ein Fremdkörper und dennoch muss das Kind sie tragen, wenn es sich die Augen nicht ganz "versauen" möchte. Trainiert man die Brille an? Also meine Eltern haben sie nicht antrainiert. Vielleicht macht man das ja heute so; heute macht man ja um alles Mögliche (mit Verlaub) ein Geschiss. Aber in der Regel besteht man eben verbindlich und ruhig darauf, dass die Brille drauf bleibt und so macht man das übrigens in der Regel auch mit einem Maulkorb.
Also wir trainieren Maulkörbe nicht wirklich an mit Keksen und Co. Genauso wenig wie das Halsband, das Geschirr, einen Hundenmantel oder sonst was. Wir machen seit 2006 die Erfahrung, dass es besser ist, weniger Bamboule um solche Dinge zu machen, dann werden sie schneller normal.

Lange Rede, kurzer Sinn: Geht kein Risiko im Sinne Eures Hundes, im Sinne Eurer Mitmenschen, in Eurem Sinne, im Sinne eines Hundetrainers - egal welcher es ist - ein, wenn es um die Sicherung Eures Hundes geht. Ein Maulkorb ist nicht böse. Böse ist eine menschliche Assoziation und niemand zwingt uns, uns dieser Ansicht - ggf. von unserer Umwelt - anzuschließen.
Ich finde ja, dass es mehr als nur diesen Grund gibt, einen Hund an einen Maulkorb zu gewöhnen. Meine Hunde lernen Maulkörbe schon als Baby kennen, denn evtl. brauchen wir mal einen beim Tierarzt. Da sind mir bequeme Maulkörbe lieber als die zuschnürenden Maulschlaufen. Evtl. wollen wir mal irgendwo Urlaub machen, wo der Hund einen braucht. In manchen Ländern ist es vielerorts Pflicht seinen Hund mit einem Maulkorb zu sichern. Vielleicht möchte ich Bus und Bahn fahren, denn auch da kann ein Schaffner oder Busfahrer immer darauf bestehen, dass ein Hund, der nicht in einer Tasche mitgeführt wird, mit Maulkorb gesichert wird. Vielleicht frisst er alles Mögliche und in der Zeit wo ich ein vernünftiges Antiködertraining aufbaue, soll aber nichts passieren oder, so ging es einer Kollegin, man hat einen Rüden, der jedes Mädchenpipi aufleckt und sich ständig irgendwelche Infekte eingefangen hat. Es gibt so unglaublich viele Gründe, die es nötig und sinnvoll machen können, dass ein Hund einen Maulkorb kennt.
Und soll ich Euch was sagen? Ich bin mit meinem 5kg-Papillon in der Arztpraxis immer der Lacher, wenn ich dem einen Maulkorb in der Größe eines Eierbechers aufziehe ;-) Aber das ist mir lieber, als wenn der dem Arzt ein Nasenpiercing verpasst, weil er hysterisch reagiert... also, der Hund, nicht der Arzt.