Hunde haben Bedürfnisse; genau wie wir. Wer sich schon mal eine Bedürfnispyramide angesehen hat (hier findet Ihr z.B. eine ganz tolle für den Hund: https://www.hundehofhochstein.de/die-beduerfnispyramide/ der wird das ein oder andere feststellen.
Auf der untersten Stufe, also auf dem Fundament, finden sich die überlebensnotwendige Bedürfnisse: Ruhe/ Schlafen, Futter/ Wasser, Gesundheit, Urin- und Kotabsatz.
Ohne das, kann ein Hund nicht überleben, nicht gesund bleiben. Mir ist das Thema deshalb wichtig, weil Futter/Wasser, Urin- und Kotabsatz den meisten klar ist; Bewegung bestimmt auch noch, wenn auch nicht in der Wichtigkeit und der Art und Weise aber Ruhe ist für viele nicht so klar. Aus dem Thema "nicht genug Ruhe" resultieren 90% (!!!) aller Schwierigkeit, die wir mit dem Hund haben. (Warum, wieso, weshalb erkläre ich Euch im Skill "Häusliches Programm", im Ersttermin (Einzeltermin) oder im Webinar "Das Innen macht das Außen". Was hier auch zu gehört ist sichere Führung und durchaus geistige und körperliche Auslastung. Aber Achtung!!! Auslastung ist nicht gleich Auslastung!!
Wenn du dir die nächste Stufe anschaust, dann ist das Sicherheit.
Zur Sicherheit gehört die geistige und körperliche Unversehrtheit, Regeln, Struktur, Rituale, Vorhersagbarkeit....Das bedeutet, dass es jemanden braucht, der diese Regeln, Strukturen, Rituale vermittelt. Und das ist die verlässliche Bezugsperson. In Kombination mit der ersten Stufe bedeutet das eben, dass GESUNDHEIT nicht "beklopptes über die Wiese schüsseln" ist, sondern mit dir gemeinsam unterwegs sein. Als Gruppe! Als Team! Nicht, der eine zieht, der andere versucht irgendwie hinterher zu kommen. Das wirst du so weder in Hunde- noch in Wolfsgruppen finden. Man geht gemeinsam!!! In der Regel ist in Hunde- oder Wolfsrudeln auf einem normalen Gang niemand mal 100m weiter vorne und der andere 100m weiter hinten, während der Nächste im Dickicht verschwindet. Da wird strukturiert und möglichst kräftesparend gemeinsam des Weges getrabt. Übrigens bei verwilderten Haushunden in der Toscana (alles große Hunde) konnte man sehen, dass diese 1x am Tag "spazieren gehen", also durchs Territorium schweifen, meistens als größere Gruppe und in der Regel um die 30 Minuten. Für alle, die also glauben, sie müssen unbedingt jeden Tag 2 Stunden mindestens am Stück spazieren gehen... Müsst Ihr nicht! Könnt Ihr sicher! Aber müsst Ihr nicht! Und ob es immer Sinn macht, wäre dann eine andere Geschichte.
Dann kommen die sozialen Bedürfnisse, wie Kommunikation, Kontakt zu Mensch und Tier und Zärtlichkeit.
Und natürlich kann man die Bedürfnisse nicht ohne Weiteres von einander trennen. Denn natürlich kommunizierst du mit deinem Hund, wenn du etwas von ihm möchtest. Und natürlich gehört ihr als Team zusammen; dein Hund braucht und will Familienanschluss. Hunde leben sozial obligat, also verbindlich in Gruppen, wenn man sie lässt!
Aber ich denke es wird klar, dass z.B. der Kontakt zu Artgenossen, bei weitem nicht so weit oben steht, wie wir immer glauben. Er ist wichtig, aber genau wie wir haben Hunde Freunde. Sie brauchen nicht ständig Kontakt zu anderen Hunden. Wir rennen ja auch nicht durch die Stadt und fragen Wildfremde, ob sie mit uns Fangen spielen wollen, in der Regel machen das nicht mal Kinder. Und Hunde, die in geschlossenen Familienverbänden leben, wenn man sie lässt, haben daran auch kein Interesse - wenn sie es haben, ist es "hausgemacht" und antrainiert.
Auf der 4. und vorletzten Stufe findest du die Wertschätzung.
Dazu gehört: Liebe, Erfolg, Respekt, Lob, Anerkennung, Wertschätzung, gemeinsame Unternehmungen, das Recht auf ein faires Training und das Recht auf einen Besitzer, der Freude hat, seinen Hund besser zu verstehen.
Ich weiß, der ein oder andere kann es vermutlich nicht fassen, dass Liebe so weit hinten steht. Fakt ist aber, dass Liebe, und ich rede nicht von "verliebt sein", Liebe entsteht und ist nicht einfach da. Liebe entsteht, wenn man jemanden gut kennt, wenn man die eigenen Grenzen vermittelt und die anderen kennengelernt hat und man damit gut zurecht kommt. Wenn ich bedenke, wie viele Hunde ständig die Grenzen ihrer Halterinnen und Halter überschrabbeln und die Menschen dennoch nichts dagegen tun, dann finde ich, dass diese Grenzen mal besprochen werden müssen, damit sich beide wieder wohlfühlen.
Und zum Thema Lob: Jeder der mit Hunden zu tun hat, sollte wissen, wann ein Lob sinnvoll ist, welches Lob sinnvoll ist. Im sozialen Bereich wird übrigens selten mit Leckerchen gearbeitet, es sei denn, der Hund tut etwas komplett freiwillig, was eben gut für diese Beziehung ist.
Unser Lob sieht aber oft so aus: Der Hund springt minutenlang an uns oder unseren Gästen hoch. Endlich hört er dann mal, dass seine Besitzer was von ihm wollen. Er macht eine Sekunde das gewünschte Kommando SITZ und wenn der Besucher sich wieder bewegt, geht das Theater von vorne los…
In unserer Welt ohne Hund wäre das z. B. so. Man sitzt als Familie am Tisch und will Abendbrot essen. Das Kind der Familie legt seine Füße auf den Tisch und hat Musik auf den Ohren. Endlich bekommt es nach Minuten mal mit, dass seine Eltern was von ihm wollen. Sie sagen: "Nimm die Füße vom Tisch, dann bekommst du 5,-Euro." Das Kind nimmt die Füße vom Tisch, bekommt 5,- Euro und legt sie wieder drauf.
Findest du bekloppt? Macht doch keiner so? Doch!!! Mit unseren Hunden machen wir das ständig so. Und was glaubst du, wie ernst das Kind seine Eltern nach einer Weile noch nimmt? Genau!! Gar nicht! Leckerchengabe und Lob ist nicht immer sinnvoll. Allzu oft sorgt sie dafür, dass wir uns zum - entschuldigung - Affen machen! Und der Affe wird zum richtigen "Vollhorst", wenn er sich dann nach dem 10. Mal verkaspert werden so richtig aufregt und womöglich unfair wird.
Faires Training bedeutet auch, Konflikte aushalten und austragen! Übrigens tun auch Hunde das nach Möglichkeit ohne Körpereinsatz, weil eine Verletzung natürlich auch immer Gefahren birgt. Das heißt aber nicht, dass ein junges Rudelmitglied, nicht auch mal körperlich diszipliniert wird, wenn es sich nicht an Regeln hält oder wenn es diese erst noch lernt. Aber dennoch müssen sie fair und verständlich sein, damit das Gegenüber es a. verstehen kann und es b. keine Angst bekommt.
Und der letzte Punkt ist Individualität.
Eigene Entscheidungen treffen, Hund sein, Weiterentwicklung von Fähigkeiten.
Verrückt!! Weißt du wie oft ich im Training, noch bevor der Hund vernünftig abrufbar ist, gut an der Leine laufen kann und gut ansprechbar ist höre "aber der muss doch auch mal Hund sein!" JA!!! Aber nicht, bevor er ein wertvolles Mitglied der Gruppe geworden ist. Nicht bevor er die Regeln verstanden hat.
Auch hier ein Beispiel mit einem kleinen Kind, dass die Welt noch erklärt bekommt, dass noch nicht sicher weiß, wie man sich verhält, damit einem nichts passiert das alles verdeutlichen:
Solange ich klein war und meine Eltern sich nicht ganz sicher waren, ob ich sie höre, wenn es wichtig ist, ob ich AUF sie höre, wenn es wichtig ist (und gar nicht aus Böswilligkeit, sondern weil alles aufregend, bunt und großartig war) blieb ich bei einem von ihnen an der Hand, wenn die Welt aufregender wurde. Meine Eltern wären nie auf den Gedanken gekommen mich z.B. auf einem Weihnachtsmarkt von der Hand zu lassen. Erst nach und nach, war das möglich und auch sinnvoll, weil ich irgendwann verstanden habe, wie wichtig es ist, den Anschluss zu behalten, wenn man seine Gruppe nicht verlieren wollte. Solange ich noch sehr mit mir selbst und meinen eigenen Bedürfnissen beschäftigt war - wie es für Kleinkinder typisch und normal ist - haben meine Eltern mich nicht losgelassen.
Mit unseren Hunden machen wir es genau anders rum (oft auf Grund der trügerischen Sicherheit der Leine). Es wird bunt, aufregend und trubelig (für einen Welpen ist das schon auf dem ersten Spaziergang der Fall) und wir lassen die Leine lang, weil der Hund die Welt entdecken soll, anstatt sie mit ihm zusammen zu entdecken. Weil er ja Freiheit will!!! Will er nicht!! Er will Sicherheit!! Und Freiheit heißt übrigens auch dass man Regeln verstanden hat und sich an sie hält, alles andere ist Anarchie!
Fakt ist, die Bedürfnisse müssen befriedigt werden. Am besten alle, damit sich unsere Hunde wirklich wohl fühlen. Aber auch in der richtigen Reihenfolge und mit der richtigen Wertigkeit.
Dennoch wird einiges in einander greifen und das ist auch gut so.
Du siehst, ich mache mir viele Gedanken und mir ist es wichtig, dass du deinen Hund verstehst. Mir ist es wichtig, zu wissen, wie wir dafür sorgen können, dass es unseren Hunden gut geht und sie sich angemessen verhalten. Das bedeutet nicht, dass du niemals Fehler machen darfst oder dass dein Hund das nicht darf. Ganz und gar nicht! Das wird passieren. Ich glaube, jeder von uns wächst am ehesten an seinen Fehlern, wenn wir sie als Chancen betrachten und auch an ihnen wachsen wollen.
Ich möchte dass die Bedürfnisse deines Hundes erfüllt werden, aber ich will auch dass du dich mit deinem Hund wohl fühlst. Und um ehrlich zu sein geht das am allerbesten, wenn Hunde immernoch sein dürfen, was sie immer waren und was sie immer sein wollen:
HUNDE !!!